InTime & OutTime

Ein ganz normaler Tag in der Dienststelle der RPG-Polizei.
Der Türgong ertönt und jemand betritt das Büro.

„Hallo! Ich möchte eine Straftat zur Anzeige bringen,“
„Na, Na. Immer mit der Ruhe. Setzen Sie sich. Und dann berichten Sie mal, was vorgefallen ist. Wir kümmern uns um die Sache.“
„Na gut. Also, ich bin in diesem Forum.“
„Hm Hmm. Stört es Sie, wenn ich Notizen mache?“
„Was? Oh Nein, machen Sie ruhig.“
„Also sie sind in diesem Forum?“
„Wolfsforum. Genau. Ich spiele Akita, eine schneeweiße, wunderschöne Wölfin mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Sie ist schon sehr Weise für ihr Alter und möchte gerne ihre Lebenserfahrung mit anderen teilen. Aber da ist dieser andere Wolf, Jiro. Und er ist total herablassend und gemein zu ihr und nimmt sie nicht Ernst. Und…und einmal, da hat er sich über sie lustig gemacht, dabei habe ich mir solche Mühe gegeben, was tiefsinniges zu schreiben….und diese Spielerin…nimmt das einfach nicht ernst!“
„Nun ja…“
„Egal was ich mache, diese Spielerin tut alles, um meinen Charakter lächerlich und dumm aussehen zu lassen! Ich versteh das nicht. Ich habe ihr doch nichts getan!“
„Also eigentlich…“
„Das muss aufhören. Wirklich, ich habe schon gar keine Lust, mich in dem Forum blicken zu lassen, oder auf ihre PNs zu anworten. Ich meine, sie tut ja auch noch so, als ob alles in Ordnung wäre. So was scheinheiliges. Ich meine…“
„SO. Jetzt setzten sie sich einmal und atmen tief durch bitte.“
„Aber ich…“
„Hinsetzen.“
„…“
„Ich muss Ihnen beipflichten; Hier liegt tatsächlich ein Vergehen vor.“
„Sehen Sie! Sag ich doch! Diese andere Spielerin…“
„Ihre Mitspielerin hat nichts falsch gemacht. Ich spreche von Ihnen.“
„Wie bitte?!“
„Ungeschriebenes RPG-Gesetz §1 Absatz 1: Trenne InTime von OutTime“

Völlig egal ob man vom Pen ’n‘ Paper, LARP oder Foren-Rollenspiel spricht, man kommt an diesem Grundsatz nicht vorbei. Er steht in jeder Regelliste und er wird von den Veteranen an die Anfänger weitergegeben. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Menschen ihn urplötzlich zu vergessen scheinen. Egal ob Neuling oder Profi.
Rollenspiel heisst, eine „Rolle“ zu spielen. Der Charakter deiner Mitspieler ist es, mit dem du dich am meisten beschäftigen wirst. Manch einer möchte vielleicht auch gar nicht mehr. Der richtige Name deines Mitspielers? Sein Alter? Seine Hobbys? Sind dir vielleicht nicht so wichtig. Du möchtest nur spielen. Ist okay. Blöderweise neigt dein Kopf dazu, die Wissenslücken zu deinem Gegenüber selbständig zu füllen. Und das tut er mit Infos, die er bekommt. Meistens über den Charakter, der gespielt wird.
Da ist also im LARP dieser Ork, der seine eigene Rasse vergöttert und für Menschen nur Hass und Verachtung übrig hat. Was für eine rassistische Type! Sein Spieler ist im wahren Leben aber Mitglied in der Linksjugend und findet Nationalismus ansonsten ziemlich scheiße.
Oder das Mädel in deinem Foren-RPG, die sich im Spiel völlig schamlos an jedes männliche Wesen ran wirft (Schlampe!), während die Spielerin verheiratet ist und bereits ein Kind hat.
Der Wolf eines Mitspielers findet deinen Wolf lachhaft und dämlich, aber das ist kein Grund zu vermuten, das es dem Spieler dahinter genauso geht. Er spielt einfach nur sein Konzept aus, und vielleicht findet der Spieler deinen Wolf sogar toll.
Wenn dein Charakter InTime etwas tut, dann werden die anderen Spieler auch im Spiel darauf reagieren. Du kannst dich entweder über die Konsequenzen ärgern, oder du spielst mit ihnen.
Das ist Rollenspiel.
Wenn du als Spieler irgendwo aneckst oder du dich über andere Spieler ärgerst, dann versuche das außerhalb des Spiels zu klären. Such das Gespräch, sei es über PN, Skype oder Email. Sprich darüber und schaffe das Problem aus der Welt, bevor es sich vergrößert und man am Ende sauer aufeinander ist, ohne wirklich zu wissen, warum. Manchmal kann es sinnvoll sein, nach einem InTime-Streit nochmal außerhalb des Spiels klarzustellen, das Aggression und Abneigung nur gespielt waren.

Aber was soll ich machen, wenn ich als Spieler zwar den Mitspieler mag, aber seinen Charakter überhaupt nicht leiden kann?

Das ist sozusagen die „Kür“, wie es so schön heisst. Du als Spieler findest den Charakter deines Mitspielers langweilig, schlecht ausgespielt oder einfach nur dämlich? Wenn dein eigener Charakter das auch so sieht: Herzlichen Glückwunsch! Ihr seid euch einig!
Aber wenn dein Charakter mal so gar nicht ist wie du, dann findet er diese hohle Frucht vielleicht tatsächlich interessant und kann ihn sogar gut leiden. Und das musst du dann auch so ausspielen, wenn du deinem eigenen Charakter treu bleiben willst.
Es ist für mich die schwierigste InTime/OutTime Situation, weil deine eigenen Gefühle und Gedanken zurückstecken müssen, und das ist manchmal gar nicht so einfach. Es kommt einem wie Selbstbetrug vor, wenn man seinen Charakter etwas denken oder sagen lassen muss, was man selbst überhaupt nicht vertritt, ob man will oder nicht.
Aber das, genau das ist Rollenspiel.
Und nicht nur dass; Ich finde, genau das ist GUTES Rollenspiel.
Springe über deinen Schatten, verbanne deine Abneigungen in die letzte Reihe und überlasse deinem Charakter die große Bühne.

3 Antworten zu “InTime & OutTime

  1. Niedlich umgesetzt mit der RPG Polizei – hoffe da hört man noch mehr von 😉

    Du hast wirklich sehr schön umschrieben was der größte Lernprozess beim RPG ist, meiner Meinung nach. Dauert besonders in der Pubertät sehr lange, da hat weltkehrt Recht^^ Aber wenn man das erstmal drauf hat werden die Charaktere dadurch nur noch dreidimensionaler. Sie werden wie kleine Teile der Persönlichkeit die eigenständig im Kopf herum spuken und dort gern auch mal Unsinn machen – aber so bringt es am meisten Spaß =D Daumen hoch also!

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  2. Das mit dem verhör ist eine klasse Idee! Genauso ist es nämlich. Ich bin Foren-Rpg-Veteran und P&P und Larp-Neuling. Ich weiß also auch recht gut, wie schwer es manchmal ist, It und Ot zu trennen. Vor allem am Anfang meiner Forenkarriere kam es immer mal zu Missverständnissen! (Gut, wir waren damals in dem Forum alle 13 Jahre. …in der Pubertät streitet man bekanntlich schneller) 😉

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